Charakterisierung


Überblick

Friedrich Zehm schrieb eine unverkennbar zeitgenössische (keine radikale) Musik, in der sich der Willen zur Klarheit, Prägnanz und Allgemeinverständlichkeit manifestiert. Er verwendete konzentrierte Formen und gebraucht Thema und Motiv in hergebrachtem Sinn. Das Werk steht insgesamt unter bewahrenden Zeichen. Elemente verschiedener Epochen fließen ein, ein besonders enger Bezug ist zur klassischen Moderne gegeben (Hindemith, Bartók, Strawinsky). Die Harmonik changiert in vielen Stufen zwischen Dreiklang und clusterähnlichen Bildungen. Individualität, Gefühl und Hörerorientierung bleiben als Werte erhalten. Charakteristisch ist weiterhin die rhythmische Vitalität von schnellen Teilen, eine ausgeprägte Lyrik und Expressivität der ruhigen und langsamen Abschnitte sowie eine differenzierte, klangliche Gestaltungsarbeit. Immer komponierte Zehm auch als Musiker, das heißt, er ging weniger von spekulativen Gesichtspunkten als vielmehr von praktischen aus und bewahrte eine „musikantische” Sprache.


Leben und Werk

„Man muß aus dieser Beziehung zur Tradition versuchen, heute verständliche Musik zu schreiben [...], die nicht nur Schockwirkungen hervorruft.”

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Klangformen und Tonsprache

Zehm verwendet klare und konzise Formen.
Zehms Themen sind prägnant und kontrastreich gestaltet.
Eine große Bedeutung kommt insgesamt dem Klang zu.
Harmonisch spricht Zehm eine tonal erweiterte bzw. freitonale Sprache.
Die Satzweise ist aufgelockert, verschiedene Satz- bzw. Strukturprinzipien wechseln einander ab.

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Genres und Werkvielfalt

Zehm gehört zu einem kleinen Kreis von Komponisten wie Aribert Reimann, Wilhelm Killmayer und Hermann Reutter, die sich in den Jahrzehnten nach 1945, als in der Vokalmusik die Sprach- und Klangkomposition im Mittelpunkt stand, dem Lied, speziell dem Klavierlied widmeten und im Gegensatz zu den sprachzersetzenden Tendenzen bei den Zeitgenossen die Integrität der Texte und Dichtungen bewahrten. (…) In der solistischen Vokalmusik hat Zehm vor allem neuere Literatur vertont, unter anderem von Georg Trakl, Marie Luise Kaschnitz, Julius Bissier oder Fritz Grasshoff, daneben aber auch Sonette der Renaissance-Dichterin Louise Labé oder Gedichte von Hugo von Hofmannsthal. (…) Die instruktive Kammermusik reicht von elementaren Unterrichtswerken über tonale Spielstücke bis zu anspruchsvollen, autonomen Kompositionen, die spieltechnisch gut zu bewältigen sind. Die leichter ausführbaren Orchesterwerke für Schul-, Jugend- und Amateurorchester sind in einer zeitgenössischen, harmonisch aber gemäßigten Tonsprache geschrieben.

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Komposition und Kategorien

Die Eigenschaften der Musik Zehms lassen sich als charakteristische Merkmale des persönlichen Stils verallgemeinern. Trotzdem sind viele Kompositionen Einzelwerke, die einen konkreten Entstehungshintergrund haben und neben den typischen Gestaltungsmitteln singuläre Züge aufweisen oder abseits des gewohnten Stils völlig eigene Prinzipien entwickeln.

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Zehm gehört einer Schule bzw. Nachfolge an, deren Existenz bisher wenig in das Bewußtsein getreten ist, der Nachfolge Hindemiths, Bartóks und Strawinskys. Er schrieb zeitgenössische, moderne, aber nicht modische Musik, die sich durch eine große Präsenz auf der Bühne, auf Tonträgern und im Rundfunk auszeichnete. Diese Öffentlichkeitspräsenz macht die Musik Zehms zu einem wichtigen Aspekt der Geschichte des Musiklebens und verleiht ihr historische Bedeutung. Es bleibt noch vorbehalten, Komponisten wie Zehm in der Musikgeschichtsschreibung zu berücksichtigen, um ein historisch getreues Bild der Musikgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erhalten. Das allgemeine Phänomen Ende der 70er Jahre, daß sich Komponisten verstärkt einem traditionsorientierten, handwerklich fundierten Stil bedienten, der auch heute noch das aktuelle kompositorische Schaffen prägt und dem Stil der „gemäßigten Moderne” nach 1945 nahe kommt, macht Komponisten wie Zehm letztlich zu Vorreitern dieser Entwicklung.

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Die Charakterisierung basiert auf der Dokumentation von Heidrun Miller:

   

Friedrich Zehm – Komponist zwischen Tradition und Moderne

Schriften zur Musikwissenschaft

Herausgegeben vom Musikwissenschaftlichen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Bibliografische Angaben…