Friedrich Zehm
Konzert für Klavier und Orchester
Informationen zum Werk
Charakterisierung
Das Klavierkonzert von Friedrich Zehm von 1962 lässt sich hinsichtlich Aufbau, Struktur und Aufführungslänge ohne weiteres einordnen in die großen Konzertformate wie Tschaikowskys b-Moll- oder Beethovens Es-Dur-Konzert, stilistisch bewegt es sich in klassischer Moderne und ist in die Nähe von Hindemith, Bartók und Strawinsky zu rücken, deren Nachfolge Zehms kompositorische Schule angehört. Es ist mit keiner Tonart bezeichnet, beginnt mit dem ersten Thema in a-Moll und endet im 3. Satz mit dem Finale in A-Dur. Sämtliche Vorzeichen sind ausgeschrieben.
Der erste Satz Moderato schöpft aus traditionellen Strukturen von Romantik bis Expressionismus, die sich in der erweiterten Tonalität Zehms Kompositionsstils sowohl akkordisch dicht aufgefächert als auch minimalistisch reduziert widerspiegeln. Enthalten ist eine taktfrei auskomponierte „Cadenza” – wie auch hier hat der „Komponist zwischen Tradition und Moderne” sämtliche Angaben konsequent in italienisch ausgeführt. Die komplexe Komposition der einzelnen Formteile läuft in durchgehendem 3/4-Takt mit oft versetzten metrischen Tongewichten und verschachtelten Rhythmen ab, wobei Klavier und Orchester immer wieder spannungsvoll in rhythmischer wie dynamischer Konkurrenz stehen. Womöglich war dieser erste Satz nicht nur für den Komponisten die Herausforderung mit den meisten Ecken und Kanten, sondern ist es auch für Interpretierende.
Der zweite Satz Adagio mit seiner subtilen Melodramatik lässt die Beschreibung eines ganzen Lebensbogens herausahnen: Vom Pränatalen und Aufblühen durch dunkle Kapitel über hoffnungsvollen Neubeginn bis zum Lebensrückblick endet der Weg mit dem Angekommensein in der Ewigkeit. Dieser getragene Satz im 4/8-Takt bietet Solistinnen und Solisten Raum zur freien Entfaltung ihrer Interpretation bis hin zur Dominanz, das Orchester zu führen. Einschübe jeweils eines 3/4-Takts dehnen an drei Stellen die Spannung vor Übergängen zu Formwechseln sowie zum Höhepunkt vor einem neuen Abschnitt Piu mosso e capriccioso, rhythmisch eröffnet mit einem Walking Bass und Blech-akzentuierten Jazz-Elementen. In diesem nach und nach abebbenden B-Teil, descendent abgestuft in chromatisch verschränkten Klangterrassen mit eingewobenen Cantilenen-Linien setzt Zehm gegen Ende noch eine eine Celesta für den letzten innigen Dialog mit dem Klavier ein; das Adagio erlischt in einem im Ausklang sich auflösenden Fis-Akkord.
Der dritte Satz Allegramente ist furios angelegt, den sechzehntel-dominierten 4/4-Takt schlägt das Klavier durch wie an einer Perlenschnur mit Hämmern gespielt, beantwortet von einem real vorgesehenen Xylophon. So bis zum „Rag”, wonach der Komponist sein „Ragtime-Konzert” in der Entstehungsphase bezeichnete, diesen Titel nach Fertigstellung jedoch aufgab. Das „Tempo di Ragtime” wird kontinuiertlich weitergeführt bis zu einem General-Einschnitt, nach diesem leitet eine „Quasi Cadenza” des Klaviers über in ein finales durchkomponiertes Feuerwerk. Citius, altius, fortius geht es wie in Serpentinen immer schneller, höher, stärker auf den Gipfel zu, bei dessen Erreichen der Komponist in der Coda sämtliche Register des Tutti zieht. Insgesamt hebt sich der Solopart des Allegramente-Satzes gut vom Klangkörper des Orchesters ab. Der dritte Satz eignet sich auch als eigenständig abgeschlossenes virtuoses Vortragsstück z.B. für Konzertprüfungen, Wettbewerbe oder als Eröffnungs- oder Abschluss-Darbietung.
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Besetzung und Aufführungsmaterial
Friedrich Zehm
Konzert für Klavier und Orchester (1962)
Dauer: ca. 38 Min.
- Moderato (Cadenza) ca. 15 min.
- Adagio ca. 10 Min.*
- Allegramente (Ragtime) ca. 13 Min.**
2.2.2.2 · 4.3.3.1 · Pauken, Schlagwerk · Harfe, *Celesta, **Xylophon · Streicher
Boosey & Hawkes / Anton J. Benjamin Musikverlag, Berlin
[vorm.: N. Simrock Musikverlag, Hamburg]
Orchester-Aufführungsmaterial leihweise
Notensatz des Klavier-Soloparts bei Christoph Zehm per Kontaktformular
GEMA Werk Nr. 886878-001
ISWC: T-801.800.219-3
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Zum Klavierwerk Friedrich Zehms
Friedrich Zehm war nicht nur als Komponist, sondern auch als Pianist tätig. … Auch wenn das Klavier „sein“ Instrument war und Zehm die ersten kompositorischen Versuche auf dem Klavier unternommen hatte, besitzt das Klavierrepertoire einen geringeren Anteil am Gesamtwerk, als man vermuten möchte. Abgesehen von Orgel- und Cembalowerken schrieb Zehm 28 Klavierstücke, davon 21 für Klavier solo. … Für die Klaviermusik Zehms spielten die musikgeschichtlichen Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, denn Zehm knüpfte stilistisch unmittelbar daran an, vor allem in seinen frühen Werken. Eine rhythmische, direkt von Bartók, Prokofjew und Strawinsky beinflusste Motorik kennzeichnet die schnellen Sätze des Divertimento für Klavier zu vier Händen. In Werken für Klavier solo griff Zehm wie Prokofjew und Hindemith oft auf alte Formen zurück, z. B. die Toccata (1954), Allemande, Menuett, Bourree, Sarabande und Ballett aus der Klaviersuite (1946) oder die Invention aus den Fünf Tempi (1962/63). Auch Jazz-Elemente finden sich gelegentlich in Zehms Klaviermusik. So lässt sich die Linie von Strawinskys Ragtime für Klavier (1919) über Hindemiths Ragtime aus der Suite 1922 fortführen zu Zehms „Ragtime”-Konzert für Klavier und Orchester (1960).
Dr. Heidrun Miller, in ihrer Dissertation, 2003 ARE Verlag (S. 191/192)
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